Fußball und ein Zuhause bei Gott

Begrüßung der Konfirmanden des Jahrganges 2022 am 4.7.21

Weil sich in den vergangenen Tagen viel um Fußball gedreht hat – zumindest bis Dienstag Abend für uns Deutsche – will ich heute ein Fußballgeschichte erzählen. Unter den Konfis sind vielleicht einige im Verein, vielleicht auch Eltern, die öfter am Spielfeldrand stehen. Ich hoffe auch alle anderen können das mit Erfahrungen in anderen Bereichen nachvollziehen.

Ich will von Kevin erzählen. Kevin hat wie fast alle Jungs schon als er ganz klein war mit seinem Vater und seinem 2 Jahre älteren Bruder im Garten herum gekickt. Kevin hat das immer gut gefallen und natürlich wollte er in den Fußballverein. Also war er schon in der F-Jugend der DJK, dann in der E-Jugend und in der D-Jugend. Papa hat ihn immer zum Training gebracht und war natürlich bei allen Spielen dabei und am Fußballplatz gestanden. Oder hat paar Jungs zu den Spielen gefahren. Als Kevin zum Konfiunterricht angeschrieben wurde, wollte er erst nicht. Dann musste er das Donnerstag-training immer ausfallen lassen und beinahe wäre er nicht mehr bei den Spielen aufgestellt worden.

Aber Kevin war eben gut und so hat der Trainer das akzeptiert. Und schon in der B-Jugend hatte die Spielvereinigung sein Talent entdeckt und Interesse an ihm. Kevin war gut und schnell. Als Linksaußen fühlte er sich wohl und konnte präzise Flanken schlagen. Mit 18 spielte er schon ab und zu Ersatz bei der 1. Mannschaft. Mit 20 war er Stammspieler. Der Vater war ziemlich stolz auf ihn. Kein Wunder dass Kevin sogar mal für die U21 im Gespräch war. Dazu kam es leider nicht. Kevin hatte jetzt einen Berater. Und weil die Spielvereinigung gerade aus der 1.Liga abgestiegen war, hatten andere Clubs Interesse. RB Leipzig machte das beste Angebot, Red Bull hatte halt wieder Geld reingepumpt. Jetzt verdiente Kevin wirklich gut. Und sein Instagramm-account verdoppelte seine Follower. Werbefirmen schlossen Verträge.

Jetzt wollte er mit der Vergangenheit Schluss machen. Zu seinem Vater war das Verhältnis auch nicht mehr so gut. So ging er zu ihm und sagte: „Reihenhaus in der Bruckwiesenstraße ist nicht mehr meins. Wenn du mich auszahlst und 50.000 gibst, kannst du das Haus auf meinen Bruder überschreiben. Weißt du, ich will Karriere machen, vielleicht bin ich in paar Jahren bei Real Madrid oder Chelsea.“

Hätte sein können. Doch dann kam dieser Unfall mit seinem nagelneuen Porsche. Mit zu viel Geschwindigkeit die Kontrolle verloren und fast in eine Hausmauer gekracht. Eigentlich nochmal gut gegangen, aber im linken Unterschenkel Trümmer Bruch. Langer Ausfall. Er tut viel für seine Fitness, aber im Fuß gibt es Komplikationen. Bei Belastungen kommt der Schmerz und das Gefühl für die Flanken ist weg. Er sitzt nur noch auf der Ersatzbank. Und nach der 2.Saison keine Vertrags-Verlängerung mehr. Statt Leipzig versucht er es nun in der 3.Liga bei FC Halle. Sein Berater sagt zu ihm: „Ich kann jetzt nichts mehr für dich tun. ich habe so viele aufstrebende Talente. Da habe ich keine Zeit mehr für dich.“ Auch mit seiner Freundin lief es nicht mehr so gut. Und die Follower nahmen rapide ab. In Halle klappte es auch nicht recht und nach 2 Jahren war dort Schluss.

Was sollte er jetzt machen? Trainer werden bei irgendeinem Regionalligisten oder in der Kreisklasse A? Er war zu stolz dazu. Aber leider hatte er sein Geld nicht so gut angelegt und da war es mit Miete in der Nobelvilla und Party machen schneller verbraucht als gedacht. Jetzt hatte er das Gefühl, dass ihn alle hängen lassen. Er nahm sogar einen Job in einem Sportgeschäft an, wo sich die kleinen Pimpfe Trikots von RB Leipzig oder der Nationalmannschaft kauften. Manchmal musste er an seinen Vater denken. Ob er da mal wieder anrufen sollte? Vielleicht könnte der ihn auch so einen Job in einem Geschäft in Fürth oder Nürnberg vermitteln. Aber der wäre sicher sauer auf ihn oder würde sich doch nur lustig machen und sagen: „Hochmut kommt vor den Fall“. Recht hätte er ja. Aber was soll‘s, ich fahr hin. Mehr als rausschmeißen kann er mich nicht.

Wie das nun ausgehen wird? Und wer ist überhaupt dieser Kevin, fragt sich vielleicht mancher. Ich gebe zu, dass die Geschichte von mir stammt. Allerdings habe ich eine Reportage über Jugendfussballer gesehen und von dem ein oder anderen Fußballer mit Karriereknick gehört, so dass meine Geschichte nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Aber eigentlich hat diese Geschichte schon Jesus erzählt vor 2000 Jahren. Natürlich hat man in Israel damals noch keinen Fußball gespielt. Deshalb klingt sie in der Bibel etwas anders. Wir hören, wie sie Jesus erzählt hat.

LESUNG Lk 15, 11ff

Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. 12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. 13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. 14 Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben 15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 16 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. 17 Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. 19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich! 20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. 22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße 23 und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein! 24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.

Eigentlich kaum zu glauben, wie dieser Vater ist. Keine Standpauke. Keine Vorwürfe, keine Bedingungen. Ob Kevins Vater auch so reagiert hat? Ob der auch die Haustüre aufgemacht hat und nach einem Moment der Überraschung seinen Sohn umarmt und sagt: „Komm rein. Schön dich zu sehen. Hab schon lange darauf gewartet. Oder willst du lieber zum Italiener, schließlich müssen wir das feiern.“ Wer solche Eltern hat, kann sich glücklich schätzen. Und ich weiß, dass es viele Eltern gibt, die ihren Kindern sagen: Zu uns kannst du immer zurückkehren.

Jesus hat die Geschichte aber nicht erzählt, um aus seinen Zuhörern bessere Eltern zu machen. Sondern Jesus hat das als Gleichnis erzählt, um damit deutlich zu machen, wie Gott ist.

Jesus wusste das eben auch, dass man besonders in jungen Jahren die Welt erobern will. Und dazu gehört durchaus, dass man sich von den Eltern löst. Und nicht zuletzt fragen einige: Wozu brauche ich da Gott? Und so kehrt mancher Gott den Rücken oder vergisst ihn schlichtweg. Solange das Leben gut verläuft und man auf der la-ola-Welle schwimmt, vermisst man ihn wohl auch nicht. Es gibt genug Freunde und Ablenkung und Applaus. Aber selbst ein gestandener Nationalspieler schießt mal ein Eigentor. Jeden unterlaufen mal Fehlpässe. Und der gefürchtete Torjäger läuft plötzlich ins Abseits. Und mancher, der sich ins Abseits bugsiert hat, kommt da nicht mehr heraus, weil das Spielfeld Leben komplizierter ist als der Rasen. Und da hilft es sich zu besinnen. Nicht weiter in die falsche Richtung rennen, sondern zurück. Da hilft es, sich zu besinnen, wo das Zuhause ist. Das eine ist das Elternhaus. Aber wenn das verschlossen bleibt, gibt es noch das andere: Gott bietet uns sein zu Hause an und da dürfen wir immer wieder zurückkommen. Selbst wenn wir lange nichts von ihm wissen wollten, knallt er nicht die Tür vor unserer Nase zu. Er freut sich, wenn wir wieder zu ihm finden. Er ist barmherzig und gnädig und von großer Güte heißt es in der Bibel. Und bei Gott zu Hause, können wir zur Ruhe kommen. Da sind wir nicht als Versager abgestempelt, sondern da können wir mit ihm einen neuen Plan fürs Leben schmieden.

Doch wie findet man zurück zu Gott und seinem Haus? Nun Gott hat viele Türen. Dies ist auch Gottes Haus mit einer offenen Tür. Auch die anderen Türen der Kirchengemeinde können weiter führen. Denn die Kirche ist eben Gottes Verein, den Jesus gegründet hat mit 12 Stamm-Spielern. Nun hat dieser Verein bei Konfis vielleicht nicht den besten Ruf: rückständige Taktik, schlechte Publicity, überalterte Mannschaft, altmodische Fangesänge usw. Aber die Mannschaft ist seit Jesus ziemlich gewachsen und zieht immer noch Leute an. Vielleicht weil man da auch mitspielen darf, wenn man gerade nicht in Top-Form ist oder weil da niemand auf der Ersatzbank versauern muss, der spielen will oder weil es da einen Team Spirit gibt. Jedenfalls ist die Kirche der Verein, der immer wieder daran erinnert, dass Gott uns nicht nach unserer Leistung beurteilt und dass er ein großes Herz hat – sicher auch für Kevin.

Pfarrer Berthold Kreile